Der Kündigungsschutz und die damit einhergehende Kündigungsanfechtung ist ein probates Mittel, um Kündigungen anzufechten, da diese für gewöhnlich in Österreich nicht begründet werden müssen. Er bietet Arbeitnehmern in bestimmten Fällen die Möglichkeit eine Kündigung nachträglich zu bekämpfen. In diesem Beitrag werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des allgemeinen Kündigungsschutzes und der Kündigungsanfechtung detailliert erläutert.
Grundlagen des Allgemeinen Kündigungsschutzes
Voraussetzungen für den allgemeinen Kündigungsschutz
Um den allgemeinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen zu können, muss ein Arbeitnehmer mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt sein und beim Arbeitgeber darf es sich nur um einen Kleinbetrieb handeln.
Anfechtungsmöglichkeiten
Es gibt zwei Hauptgründe, warum Arbeitnehmer eine Kündigung anfechten können:
- Wegen eines verpönten Kündigungsmotivs.
- Wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung.
Kündigung wegen verpönten Kündigungsmotivs
Definition
Ein verpöntes Kündigungsmotiv liegt vor, wenn die Kündigung aufgrund bestimmter unzulässiger Gründe erfolgt. Diese Gründe sind im Arbeitsverfassungsgesetz klar definiert und umfassen unter anderem:
- Gewerkschaftliche Betätigung oder Kandidatur bei Betriebsratswahlen.
- Bevorstehender Präsenz- oder Zivildienst.
- Ausübung bestimmter Schutzaufgaben im Betrieb.
- Geltendmachung von nicht offensichtlich unberechtigten Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis.
Beweislast und Glaubhaftmachung
Der Arbeitnehmer muss glaubhaft machen, dass ein verpöntes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war. Es reicht aus, wenn das verpönte Motiv eine wesentliche Rolle gespielt hat; es muss nicht der einzige Grund für die Kündigung gewesen sein.
Kündigung wegen Sozialwidrigkeit
Definition
Eine Kündigung gilt als sozialwidrig, wenn sie wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt und nicht durch betriebliche Erfordernisse oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt ist.
Prüfung der Sozialwidrigkeit
Das Gericht führt eine umfassende Interessenabwägung durch. Dabei wird die wirtschaftliche und soziale Situation des gekündigten Arbeitnehmers betrachtet. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn die Interessen des Arbeitnehmers schwerwiegender sind als die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers.
Faktoren der Interessensbeeinträchtigung
Bei der Prüfung, ob eine Kündigung sozialwidrig ist, berücksichtigt das Gericht mehrere Faktoren:
- Betriebszugehörigkeitsdauer: Je länger ein Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist, desto härter kann eine Kündigung für diesen wirken.
- Alter des Arbeitnehmers: Ältere Arbeitnehmer haben oft größere Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden, was ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erschwert.
- Finanzielle Lage: Die Kündigung darf keine unzumutbare finanzielle Schlechterstellung für den Arbeitnehmer bedeuten. Hierbei wird nicht nur das Einkommen aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis betrachtet, sondern auch das gesamte wirtschaftliche Umfeld des Arbeitnehmers, einschließlich Vermögen, Schulden und Sorgepflichten.
- Verlust von Zusatzleistungen: Zum Beispiel der Verlust einer Dienstwohnung oder die Erhöhung des täglichen Arbeitsweges.
- Familienstand und Sorgepflichten: Arbeitnehmer mit unterhaltspflichtigen Kindern oder anderen Familienmitgliedern können härter von einer Kündigung betroffen sein.
- Gesundheitszustand: Eine bereits vor der Kündigung eingetretene krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit kann die Auswirkungen der Kündigung verschärfen.
- Wiedereingliederungschancen: Die Chancen des Arbeitnehmers, schnell eine neue, vergleichbare Beschäftigung zu finden, werden ebenfalls berücksichtigt. Hierbei akzeptiert der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Arbeitslosigkeit von etwa 9-12 Monaten als zumutbar.
- Vorherige Einkommenseinbußen: Lohneinbußen von bis zu rund 20 % wurden vom OGH in der Vergangenheit akzeptiert.
- Gesamtauswirkung auf die Lebensführung: Es wird auch geprüft, wie sich die Schlechterstellung auf die gesamte Lebensführung des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt.
Sozialvergleich
Definition
Der Sozialvergleich ist ein Verfahren, das nur in Betrieben mit einem Betriebsrat zur Anwendung kommt. Hierbei wird geprüft, ob die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers sozial ungerechtfertigt ist, indem seine soziale Situation mit jener anderer Arbeitnehmer im Betrieb verglichen wird.
Rolle des Betriebsrats
- Zustimmung des Betriebsrats: Stimmt der Betriebsrat der Kündigung zu, kann der Arbeitnehmer die Kündigung nur wegen eines verpönten Motivs anfechten.
- Keine Stellungnahme des Betriebsrats: Gibt der Betriebsrat keine Stellungnahme ab oder existiert kein Betriebsrat, kann der Arbeitnehmer die Kündigung selbst anfechten, jedoch ohne Sozialvergleich.
- Widerspruch des Betriebsrats: Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, kann er diese anfechten, und ein Sozialvergleich wird durchgeführt.
Durchführung des Sozialvergleichs
Das Gericht vergleicht die soziale und wirtschaftliche Lage des gekündigten Arbeitnehmers mit der von anderen Arbeitnehmern im Betrieb. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn der gekündigte Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern härter getroffen wird.
Rechtfertigungsgründe des Arbeitgebers
Subjektiv betriebsbedingte Gründe
Der Arbeitgeber kann die Kündigung mit Umständen in der Person des Arbeitnehmers rechtfertigen, die betriebliche Interessen nachteilig berühren, wie zum Beispiel:
- Mangelnde Arbeitsleistung: Wenn der Arbeitnehmer dauerhaft eine unterdurchschnittliche Leistung liefert.
- Teamunfähigkeit: Wenn der Arbeitnehmer das Betriebsklima nachhaltig stört.
- Lange Krankenstände: Wenn auch zukünftig ähnlich lange Krankenstände zu erwarten sind, wie vor der Kündigung.
Objektiv betriebsbedingte Gründe
Objektiv betriebsbedingte Gründe beziehen sich auf betriebliche Erfordernisse, die eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen, wie etwa:
- Wirtschaftliche Schwierigkeiten: Auftragsrückgänge, Finanzierungsprobleme, etc.
- Organisatorische Veränderungen: Umstrukturierungen, Einführung neuer Technologien, etc.
Soziale Gestaltungspflicht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat eine Pflicht zur sozialen Gestaltung, was bedeutet, dass er vor der Kündigung alle Möglichkeiten ausschöpfen muss, um den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Dazu gehört beispielsweise das Angebot eines anderen freien Arbeitsplatzes im Betrieb oder Möglichkeiten zur Umschulung.
Fazit
Der allgemeine Kündigungsschutz und die Kündigungsanfechtung in Österreich bieten Arbeitnehmern einen bedeutenden Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Durch die gesetzlichen Bestimmungen im Arbeitsverfassungsgesetz haben Arbeitnehmer, die mindestens sechs Monate im Betrieb tätig sind, das Recht, Kündigungen wegen verpönten Motiven oder Sozialwidrigkeit anzufechten. Der Betriebsrat spielt dabei eine wichtige Rolle und kann die Anfechtungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers beeinflussen.
Die Rechtsprechung berücksichtigt eine Vielzahl von Faktoren, um die Sozialwidrigkeit einer Kündigung zu beurteilen, und verlangt vom Arbeitgeber, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergreift, um eine Kündigung zu vermeiden. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass bei einer zu erwartenden Kündigungsanfechtung die Kündigung durch betriebliche Erfordernisse oder durch in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt bzw. begründet ist.