Ein gut gemeinter Freundschaftsdienst führte zu einem angeblichen Sozialbetrug. Unsere Mandantin half einem Freund aus dem EU-Ausland, in Österreich eine Niederlassung seines Handelsgewerbes zu registrieren. Sie half bei der Anmeldung beim Firmenbuch und der Gewerbebehörde, knüpfte erste Kundenbeziehungen und wickelte einige Korrespondenz auf Deutsch ab. Unsere Mandantin tat dies unentgeltlich als Freundschaftsdienst, obwohl sie seit Längerem beim AMS als Notstandshilfebezieherin angemeldet war. Nachdem ihre Tätigkeit für ihren Freund behördlich bekannt wurde, wurde sie wegen Sozialbetruges angeklagt.
Anklage wegen Sozialbetrug
Die Behörden sahen den Sozialbetrug darin, dass unsere Mandantin ihre Pflicht, dem AMS die Änderung ihrer beruflichen Verhältnisse zu melden, unterlassen hatte und dadurch zu Unrecht weiterhin Notstandshilfe bezogen hatte. Die Notstandshilfe ist jedoch keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz.
Anspruch auf Notstandshilfe
Grundsätzlich hat Anspruch auf Notstandshilfe jeder, der keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld hat, in einer Notlage ist, arbeitsfähig, arbeitswillig, arbeitslos, beim AMS arbeitslos gemeldet und am Arbeitsmarkt vermittelbar ist sowie bereit ist, eine Arbeit im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden anzunehmen (in begründeten Ausnahmefällen 16 Stunden pro Woche).
Meldepflichten
Das Gesetz sieht bestimmte Meldepflichten vor, wenn Umstände vorliegen, welche Auswirkungen auf den Anspruch auf die Notstandshilfe haben. Dem AMS sind insbesondere die Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu melden, insbesondere die Aufnahme einer Beschäftigung oder die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit.
Selbstständige Erwerbstätigkeit
Bei selbstständiger Erwerbstätigkeit wird die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ohne Weisungsgebundenheit ausgeübt. Auch ein Gesellschafter ist ein Mitunternehmer und damit selbstständig erwerbstätig, wenn er Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens hat und den Gläubigern persönlich haftet. Diesfalls sind Gewinnanteile oder Vergütungen als Einkommen dem AMS zu melden. Ist man hingegen angestellt, so ist man in persönlicher und organisatorischer Hinsicht an die Dienstgeberin bzw. den Dienstgeber gebunden.
Verteidigung
Wir konnten im Verfahren darlegen, dass keine der obigen Voraussetzungen auf unsere Mandantin anwendbar war. Sie war weder auf eigene Rechnung tätig, noch war sie dem Freund als Arbeitnehmerin unterstellt. Sie hatte für ihre Tätigkeit auch kein Entgelt bekommen. Auch als Mitunternehmerin bzw. Gesellschafterin konnte sie nicht angesehen werden, da sie keinen Einfluss auf die Geschäftsführung hatte. Folglich hat unsere Mandantin keine Meldepflichten verletzt und keine Leistungen zu Unrecht bezogen. Wir konnten für unsere Mandantin einen Freispruch erzielen und sie dadurch vor einer Freiheitsstrafe und der Pflicht zur Rückzahlung der strittigen Beträge an das AMS bewahren.